WAHLVERWANDTSCHAFTEN

GRITA & MORITZ GÖTZE
BILD: MORITZ GÖTZE

Lucie bittet zu Tisch, und die Melusine geht baden

Ausstellung "Wahlverwandtschaften" mit Werken von Grita und Moritz Götze öffnet in Branitz

Lausitzer Rundschau

Cottbus Mit der Ausstellung "Wahlverwandtschaften" der halleschen Künstler Grita und Moritz Götze wird morgen um 15 Uhr während des Gartenfestivals in Branitz zugleich das Themenjahr Kulturland Brandenburg "gestalten – nutzen – bewahren" eröffnet. Zu feiern gibt es außerdem 170 Jahre Branitzer Park und 20 Jahre Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz.

Kann es glücken, all diesen Ereignissen und Terminen in einer Ausstellung Rechnung zu tragen – noch dazu mit einem Pop-Art-Künstler und einer Keramikerin? Vielleicht überhaupt nur in dieser Konstellation, ist man nach einem Rundgang durch diese hochkarätige wie extravagante Ausstellung überzeugt. Jedes der Kunstwerke lädt zum Entdecken und Staunen ein. Es ist, als spiegele sich Pücklers Schaffen, seine Ideen, sein Naturempfinden, seine Kreativität und Fantasie, seine Weltsicht in dieser modernen Kunst wider.

Seit zwei Jahren, erklärt Kuratorin Friederike Sehmsdorf, sind Grita und Moritz Götze mit Lucie und Hermann im Gespräch – in einem semi-permeablen, also einseitigen. Was würden sie wohl sagen, zu den Installationen, Bildern und Keramiken? Friederike Sehmsdorf hat sogar übereinstimmende Wesensmerkmale festgestellt: zwei extrovertierte Männer, die es opulent mögen, deren Auftritt ein Statement ist. Dagegen zwei eher zurückhaltende Frauen, die im Stillen eigene Ausdrucksmöglichkeiten finden. "Lucie noch gebunden an das Werk des Fürsten, Grita Götze eigenständig", so Friederike Sehmsdorf, die zugleich die Galeristin der Künstlerin ist.

Wahlverwandtschaft? Offenkundig. Die farblich intensiven, expressiven und großformatigen Emaille-Arbeiten Moritz Götzes sprechen davon, wie innig die Gespräche mit dem Fürsten waren, wie schnell sie sich einig geworden sind, sich in der Kunst zu verbinden. Denn, davon ist die Galeristin überzeugt: "Pückler wäre heute ein Popstar und Pop-Art sein Ding."

Achtungsvoll, beeindruckt – mitunter auch ein wenig ironische Distanz suchend – hat Moritz Götze sich in Position zum Fürsten gesetzt. Das beginnt schon im Park. Als überlebensgroße Stahl-Emaille-Installation thront Pückler unweit der Schlosstreppe auf einem weißen Hirsch – an dessen spektakuläre Kutschfahrt Unter den Linden in Berlin erinnernd. Etwas weiter im Parkraum verteilt eine Schar übergroßer Heidschnucken – in Pink, Hellblau, Weiß, Orange und Gelb. Pückler setzte die Schafe als natürliche Rasenmäher ein. Die Holz-Schnucken sind einfach nur witzig. So wie die aus Pücklers Schlafzimmer getürmte Melusine, die sich jetzt im Schlossteich rekelt. Keine Sorge, das Melusinen-Bild hängt unversehrt, wo es immer hing. Während es in den unteren Räumen nur punktuelle Veränderungen gibt – einige der fantasievoll gestalteten Deckelvasen von Grita Götze fügen sich harmonisch ins Interieur ein – sind die oberen Zimmer zur Ausstellungsfläche geworden. Moritz Götze, der aus einer Künstlerfamilie stammt und Pückler zum ersten Mal in den Mosaik-Heften von Hannes Hegen begegnete, hat dem Fürsten neben Bilderbögen – an die Neuruppiner angelehnt – einen eigenen Altar gewidmet. Das ganze Leben Pücklers – die Beziehungen zu Zeitgenossen wie Goethe und Heine, zu Frauen wie Machbuba oder seiner Biografin Ludmilla Assing, Lucie als Heilige, seine Werke und Projekte, die Reisen – findet sich in der von goldener Emaille gefassten Malerei. Detailreich, mit ganz eigener Sicht auf das, was er vom Fürsten erfahren hat, erhebt er ihn ins Überirdische und verankert ihn doch im Diesseits, in der Lausitzer Heimat: Die Predella, der Altar-Sockel, besteht aus gestapelten Briketts. Immer wieder finden sich in Götzes Arbeiten Übergänge ins Heute, zeigt er den Fürsten als modernen Denker.

Zarter, leiser, sehr poetisch sind die Fragen Grita Götzes an Lucie von Hardenberg, Pücklers Frau und tätige Lebenspartnerin, ohne die der Grüne Fürst wohl nicht so ein umfangreiches Lebenswerk hätte hinterlassen können. Lucies Liebe zu den Pflanzen und die mit dem Fürsten geteilte Affinität zu schönen Dingen finden sich in den Keramiken – vorwiegend Teller und Deckelvasen. Aber, wenn Lucie zu Tisch bittet, muss es natürlich ein ganzes Service sein. Eine bunte Wiese mit Gänseblümchen, Löwenzahn und allerlei anderen Wildkräutern umspannt den Tellerrand, Schmetterlinge suchen nach einem Landeplatz. Modifiziert taucht das Motiv auf allen 17 Teilen auf. Es hätte der Fürstin sicher gefallen, den Garten auf den Tisch zu holen, ziert aber auch heute jede Tafel. Grita Götze hat das Handwerk in den berühmten Bürgeler Werkstätten erlernt und an der Hochschule Burg Giebichenstein Keramikgestaltung studiert. Das sieht man den hochwertig und kunstvoll gearbeiteten Objekten an. Ihre Vielfalt ist beeindruckend. Das betrifft Motive ebenso wie Stilrichtungen zwischen Art deco und Rokoko. Einmal tanzen grazil Mädchen um die Vase herum, ein anderes Mal scheinen Blüten herauszuwachsen oder der Löwenzahn präsentiert naturalistisch Blätter und Blüten. "Die Natur hat die schönsten Formen und Farben zu bieten, die kann man sich so gar nicht ausdenken", sagt Grita Götze. Unzählige Zeichnungen, oft direkt auf einer Wiese entstanden, füllen dicke Studienbücher. Bis zur Gestaltungsidee und der Keramik selbst ist es ein langer Weg.

Wahlverwandtschaft zwischen zwei so verschiedenen Paaren, die die Kunst, die Experimentierfreude, das Unkonventionelle verbindet. Da hat sich die Branitzer Stiftung selbst und uns allen ein Geschenk gemacht.

 

Von Renate Marschall

Bild: entnommen http://www.lr-online.de (4.12.2015),
Schon jetzt ein beliebtes Fotomotiv für Branitz-Besucher: Moritz Götzes Fürst auf weißem Hirsch. Foto: Helbig