WIELAND FÖRSTER - PLASTIKEN
STRAWALDE - MALEREI BILD: STRAWALDE - LÜTOW

Poetischer Blick auf das Leben

Die Künstler Strawalde und Wieland Förster vereint in der Galerie Kunst-Kontor von Friederike Sehmsdorf

Potsdamer Neueste Nachrichten 12.05.2012

„Sie sehen nur rote und gelbe Flächen und meinen das wäre abstrakt? Für mich ist das ein lebendiges Bild der Natur. Das ist wie eine Wiese, wo das Insekt von Blume zu Blume fliegt“, erklärt Jürgen Böttcher. Der Maler ist allerdings unter dem Namen Strawalde erheblich bekannter. Seit etlichen Jahrzehnten nennt er sich nach seinem Heimatort Strahwalde in der Oberlausitz. „Ich knete die Farben wie einen Kuchenteig, ich fahre mit den Fingern über die Fläche und hinterlasse tiefe Furchen im Bild“. Bildermachen ist für den Maler Strawalde keine Kopf- sondern eine Gefühlssache. Mit Kraft und Hingabe bannt er die Farbe auf die Leinwand.

Anlässlich des fünfjährigen Bestehens ihrer Galerie Kunst-Kontor vereint Friedericke Sehmsdorf die beiden Multitalente Strawalde und Wieland Förster in einer aktuellen Ausstellung. Während der Maler Strawalde nach einem Studium der Bildenden Kunst noch Regie studierte und zahlreiche, vorwiegend dokumentarische Filme drehte, blickt der Bildhauer Wieland Förster zudem auf ein umfangreiches literarisches Werk zurück. In der Galerie allerdings beschränken sich die beiden auf die bildende Kunst. Er sei immer wieder fasziniert von „dem Weiblichen, dem sich Entfaltenden“, bemerkt der Bildhauer. Seine „Kleine Sinnende“ hockt mit angezogenen Beinen und blickt versonnen auf den Boden, ihre volle Pracht entfaltet „Die Liegende“, hin gegossen auf einen schmalen Sockel. Mit dieser Ausstellung setzt die Galeristin einen Glanzpunkt in der Potsdamer Kunstlandschaft.

„Man glaubt es kaum, aber beide Künstler waren bisher noch in keiner Ausstellung vereint“, sagt Friederike Sehmsdorf. Zwar stammten beide aus der verblichenen DDR, wurden 1930 beziehungsweise 1931 geboren, haben in Dresden studiert und blicken auf ein enorm schaffensreiches Leben zurück, dessen Kreativität auch noch längst nicht ausgeschöpft sei. Dennoch habe es in den vergangenen Jahrzehnten grundsätzliche Unterschiede gegeben. Die politischen Ansichten der Künstler hätten sich im vormals verordneten Sozialismus deutlich unterschieden. Möglicherweise sei dies ein Grund für die bisherige Distanz der beiden Künstler zueinander, so die Galeristin.

Wieland Förster musste sich einer Verurteilung zu zehnjähriger Zwangsarbeit durch die sowjetische Besatzungsmacht wegen unerlaubtem Waffenbesitz beugen. Zwar wurde er nach vier Jahren begnadigt, aber danach war er endgültig schlecht zu sprechen auf Ideologien aller Art. Entsprechende Ausstellungsverbote folgten. Dennoch wurde Förster später zum Vizepräsidenten der Akademie der Künste Ost gewählt. Den späteren Bildhauer prägte schon früh eine deutliche Abneigung gegen staatlich verordneten Konformismus. Das hatte seinen Grund nicht zuletzt in der Missachtung, die der Linkshänder in der Schule erfuhr. Mit brutalen Schlägen auf die „schlechte Hand“ versuchte ein eingefleischter Nazi dem Jungen mit der „Judennase“ den rechten Weg zum „deutschen Volk“ zu weisen. Die überlangen blonden Haare trugen ein weiteres zum Außenseitertum Försters bei, wiesen ihn aber immerhin als Arier aus. Förster beschreibt Kindheit und beginnende Jugend im seinem Buch „Seerosenteich“. Die bilderreiche, lebendige Sprache, der Witz und die feine Beobachtungsgabe des Bildhauers, der ansonsten mit schwerem Metall und gewichtigen Bronzen hantiert, erstaunt. Förster entwirft auf nur wenigen Seiten ein überaus facettenreiches Panorama seiner Jugendzeit unter den Nationalsozialisten und setzt seiner schwer arbeitenden, allein erziehenden Mutter ein achtungsvolles Denkmal. Die menschliche Figur, die Achtung vor dem einzelnen und die Hingabe an „das Weibliche“ prägen sein Schaffen.

Der Mensch und das alltägliche Leben steht auch im Zentrum der Werke Jürgen Böttchers. Bis 1991 arbeitet der Maler als Regisseur in den Defa Studios. Mit mehr als 40 Filmen beschreibt er das Leben von Küchenfrauen, Wäscherinnen und Rangierern. Fünf Kameramänner stehen ihm zur Seite, als er die Verschiebung eines 2000 Tonnen schweren 65 Meter hohen Hochofens im Eisenhüttenkombinat aufs Zelluloid bannt. Als er in seinem Spielfilm „Jahrgang 45“ schildert, wie eine Ehe am grauen DDR Alltag zu scheitern droht, boykottiert die SED seine Arbeit als zu „nihilistisch und skeptizistisch“. Dabei ist es nur der genaue Blick des bildenden Künstlers, der Strawalde auch bei seinen Leinwandbildern und Zeichnungen beflügelt und der ihn die Welt zwar nüchtern, aber durchaus poetisch betrachten lässt.

Die „Berlinerin (Anna)“ steht zwar mit ein wenig verschatteten Augen vor einem schwarzen Hintergrund und wirkt nicht gerade wie ein Funkenmariechen. Der melancholische Blick aus zwei gegeneinander verschobenen Augen, blond gewelltes Haar und ein pastos gemalter Umraum, der wirkt, als hätten sich die Finger des Malers in ihn wie in weiche Butter eingegraben, vermitteln dem Bild jedoch eine fast greifbare Präsenz. Strawalde malt ein pralles Leben, in dem sich die Schönheit im unspektakulären Detail zeigt. Die Liebe zur Vielgestaltigkeit des Seins und der Erscheinung, vermitteln auch seine quirligen, fein strukturierten Zeichnungen. „Kunst muss lebendig sein. Deshalb ist alles verschieden – weil das Leben jeden Tag anders ist“, weiß der 81-jährige Maler Strawalde und zeichnet mit dem Kugelschreiber das Porträt eines hübschen Mädchens, während die Galeristin sich für die gelungene, gemeinsame Ausstellung bei den Künstlern bedankt.

Erschienen am 23.05.2012 auf Seite 20

Von Richard Rabensaat


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