PREUSSISCHER FRÜHLING III.
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BILD: J. THEEK - KAISER, KÖNIG UND IKONE

Mit Kornblume und Telefon

Der „Preußische Frühling“ im Kunst-Kontor: Drei Künstler setzen Luise ins aktuelle Preußenbild

Potsdamer Neueste Nachrichten 01.06.2010

Preußenland ist Märchenland. Hier gibt es Könige und Königinnen, Schlösser und Parks, Krieg und Frieden, Zerstörung und Aufbau, Wunder und keine Wunder. In deutlich emanzipatorischer Absicht hat „Kulturland Brandenburg“ nun die Frau ad hoc in dieses Märchenreich gerückt. Ihr Name ist Louise, auch „Miss Preußen“ oder gar „schönste aller Frauen“ genannt. Ihr nun huldigt heute das ganze Kult-Land, ohne daran müde zu werden. Kein Wunder, wenn sie bei so viel Verehrung auch noch zur Botschafterin des Zeitgeistes geschlagen wird. Was hat sie nur getan, dass man ihrer so gnadenlos gedenkt, wie der „Prinzessin von der Jagd“ in England, Dianas?

Eher abseits der geisttötenden Kommerz-Maschine taucht ihr Name in einer Ausstellung des Kunst-Kontors von Friederike Sehmsdorf auf. Es ist eine Jubiläumsausstellung anlässlich dreier Jahre in ihrem Domizil in der Bertinistraße, zugleich eine Hommage an den „Preußischen Frühling“, was immer das sei. Drei Künstler mit gegenwärtiger Denkart und Sprache demonstrieren auf ganz unterschiedliche Art, wie man die schöne Luise ins aktuelle Preußenbild katapultiert, ohne die Kunst zu verlassen.

Wunderbarerweise erwächst daraus viel mehr Beziehung als Differenz. Man bleibt in der Nähe vom üblichen Historienbild, selbst wenn man es nur als Material benutzt. So glaubt sich die Künstlerin „sibylle von preußen“ in der Tradition der Aufklärung, wenn sie „die Würde der Kreatur“ mit der Würde Luises auf einen Nenner bringt und die königlich-feminine Vita nach ihrem Eigenwert befragt, jenseits vom Gatten Friedrich Wilhelm III. und der mitmacherischen Hofetikette. Von ihr findet man arabeske Tiermotive aus dem Jagdzimmer Friedrich II. (er hasste die Jagd) im Schloss Sanssouci, vergrößerte Scherenschnitte, Stoff-Cuts in dekorativer Manier, die in einem Begleittext ganz wundersam an philosophischer Größe gewinnen. Die Arbeiten sind ganz auf das Nachempfinden gerichtet. Behutsam vergrößert sie sich ihre Luise, stellt in diversen Techniken deren Lieblingspflanze, die Kornblume, dar. Höchst ästhetische Sachen zu Ehren der lieben Sippschaft, nur ein bisschen steril.

Julia Theek, Enkelin des Potsdamer Malers Paul August, kennt Potsdam aus dem Effeff. War ihre Acrylreihe „Preußische Paläste“ aus dem Jahr 2008 produktiv, so ist sie jetzt in der Bertinistraße mit originellen, wenn auch nicht gerade Abstand haltenden Beiträgen zum „Preußischen Frühling“ vertreten.

Neben dem Luisen-Triptychon nach historischen Vorlagen, einschließlich der Totenmaske, ist vor allem ihr Bild „Kaiser, König und Ikone“ wichtig: Luise als Ur-Mutter späterer Herrscher vor einem flatternden Adler. Mittels Airbrush-Technik, eine Art Schablonen-Sprühen, beschäftigt sie sich mit dem ikonographischen Preußen, was ja nur immer „Staat“ heißt. Die Skulptur „Setting the mood“ spielt auf Luises Tanzbegeisterung und auf das Königsberger Exil an, selbst wenn da Blut im Schuh wäre. Ob sie Heiner Müllers Version der Freiheit mitgedacht hat?

Höchst eigenwillig, frech, und also herausfordernd naiv, geht der Hallenser Moritz Götze mit dem preußischen Märchen um. Indem er die hohen und heiligsten Werte in Luisens Reich zu Kinderbildern nach Art des Jugendstils oder der Pop-Art macht, sich dabei auch mal den einen oder anderen Modernismus – Luise mit Telefon – erlaubt, verfremdet er die Szenerie auf das Nützlichste. Eine schallende Ohrfeige für die profitorientierte Ikonenpflege! Dabei entwickelt er eine Präferenz zum Industrie-Emaille, was seinen Arbeiten auch Räume außen öffnet. Nur ein Schalk würde natürlich die fehlende Tiefendimension seiner Bilder mit fehlendem Tiefgang bei den Preußen assoziieren.

Erschienen am 01.06.2010 auf Seite 24

Von Gerold Paul


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