VON DER MUSE DOPPELT GEKÜSST:
ARMIN MÜLLER-STAHL & STRAWALDE
BILD: STRAWALDE

Stille Seligkeit - Jürgen Böttcher und Armin Mueller-Stahl in der Kunstraum-Galerie des Waschhauses

Märkische Allgemeine 15.10.2011

Der Ausstellungstitel „Von der Muse doppelt geküsst“ ist schlichte Untertreibung. Mehr Kritisches ist nicht zu sagen über diese, an künstlerischer Substanz und informativer Fülle überbordenden Schau in der Kunstraum-Galerie des Waschhauses. Diesen vielfachen Küssen der Muse im Leben und Werk zweier 80-Jähriger auf beschränktem Raum gerecht zu werden, ist zuerst Verdienst der Kunstwissenschaftlerin und Galeristin Friederike Sehmsdorf in Zusammenarbeit mit Anna Fertich, Katja Dietrich-Kröck und dem Filmmuseum wie auch dem Kunsthaus Lübeck, nicht zu vergessen Rainer Ehrt als Gestalter eines in Bild und Text vielseitigen Kataloges.

Zwei sind zusammengekommen, die sich so räumlich eng im künstlerischen Kräftemessen noch nicht erlebt haben: Armin Mueller-Stahl und Jürgen Böttcher alias Strawalde. Der sagt im Gespräch, dass man seinetwegen wohl kaum in die Galerie kommen würde. Armin Mueller-Stahl, der Schauspielstar, sei das Zugpferd. Allerdings kann Strawalde als bildender Künstler, Regisseur und Texter mithalten.

Empfangen wird der Besucher mit drei großformatigen Gemälden aus dem letzten Jahrzehnt, die den Frauen huldigen. Strawalde ist immer wieder fasziniert von dem „Wunder der Zuwendung einer Frau“, von dem Glück, sie als Modell zu gewinnen. Auch, wenn er sie als „Vertriebene“ malt, gibt er ihnen Stolz und Schönheit.

Er sieht sich da in einer langen künstlerischen Tradition: Reproduktionen berühmter Werke wie Giorgiones „Venus“ oder Manets „Frühstück im Freien“ drängen ihn, mit Pinsel und Farben hineinzugehen und die Fantasie spielen zu lassen. Was da in jüngster Zeit entstand, gehört zu den schönsten und lustigsten Exponaten dieser Schau.

1982 begann Strawalde damit beim „Frühstück im Freien“. Ähnlich wie Manet 1863 in Paris von der Ausstellung ausgeschlossen wurde, erweckte Strawalde am Rande der IX. DDR-Kunstausstellung mit seinen Übermalungen den Argwohn von Kulturfunktionären. Schizophren wirkt es, wenn Strawalde im Gespräch mit Günter Gaus erzählt, dass Kulturfunktionäre der DDR ihn flehentlich um Verständnis baten, dass sie seine Filme verbieten mussten. Diesen Film mit Gaus darf man nicht übersehen – wie überhaupt die Filmpräsentation ein hochinteressantes Kapitel für sich ist. Sie ist die Schaltstelle, an der sich zeigen wird, wie eine jüngere Generation die DDR-Zeit rezipieren kann.

Und dann ist da der Musenliebling Mueller-Stahl, Musiker, Texter, Lyriker, Schauspieler, bildender Künstler. Seine Gemälde sind ein Ereignis. Die Porträtreihe reicht von Liszt über Beuys und Tabori bis zu Rostropowitsch, letzteres eine geniale Lösung – Farbe und Form gewordene Musik. Dazu gibt es Gaukler, Clowns und Hofnarren, locker im Strich, in eine farbige Welt gesetzt, ein großer Atem von Glück, eine stille Seligkeit, auch Müdigkeit, ohne aufzugeben. Zusammen strahlt die Exposition eine wunderbare Heiterkeit aus. Und so ist dieses beglückende Geschenk an Lyrik und Texten, an stehenden und laufenden Bildern in der Ästhetik der Präsentation auch für den Besucher ein Kuss der Muse.

Von Arno Neumann


» Nächster Artikel