ZUM 60. GEBURTSTAG VON
C. C. GRÖSZER: ›TWILIGHT‹
BILD: STEHENDE MIT PARADISBLUME

Im Zwielicht - Clemens C. Gröszers Ausstellung „Twilight“

Potsdamer Nachrichten 14.05.2011

Wallende graue Mähne, Sonnenbrille und zerknautschtes Jackett. Der mittlerweile 60-jährige Clemens C. Gröszer ist ein Dandy. Das war er schon in den 80er Jahren, als er mit Künstlerkollegen Rolf Biebl und Harald K. Schulze die Gruppe „Neon Real“ gegründet hatte. Er ist es auch jetzt noch, als er seine Ausstellung im Museumshaus „Im Güldenen Arm“ eröffnet.

„Es ist schon erstaunlich, wie das letztlich doch geklappt hat“, resümiert Gröszer wohl nicht nur die Ausstellung in Potsdam. Zunächst hatte er als Laborant am Institut für Zoologie und als Volontär für Denkmalspflege gearbeitet. Nach seinem Studium entwickelte er dann den für ihn typischen, klassischen Malstil. Dabei kombiniert er eine raffinierte Schichtenmalerei mit mythologischen und symbolbehafteten Themen. „Die Bedeutung der verwendeten Symbole und Zeichen reicht weit über das Bild hinaus. So schafft Gröszer Bildnisse, denen etwas überzeitlich Gleichnishaftes anhaftet“, beschreibt die Galeristin Friederike Sehmsdorf die Bilderwelten Gröszers.

Auf vielen Bildern Gröszers findet sich ein beherzter Griff in den tiefen Fundus der Kunstgeschichte. Mit ausladendem Gesäß und Netzstrümpfen sitzt Marin á Cholie vor dem Fragment des Turmbaus zu Babel. Auf den schmalen Fingern balanciert sie eine Glaskugel, zu ihren Füßen liegt eine Maske. Ein toter Vogel hängt an der Steinwand neben ihr. Das Bild ist recht zitatenreich. Mit dem Turm verwendet Gröszer ein Fragment des bekannten Bildes vom Turmbau zu Babel von Pieter Breughel dem Älteren. Die manieristisch gekrümmten Finger der Frauenfigur finden ihren Bezugspunkt in den Figuren Hans Baldung Griens oder Lucas Cranachs. Mit feinem Pinsel und sorgfältig ausbalancierter Lasurtechnik hat sich Gröszer eine eigene Welt erschaffen. Die allerdings sieht ein wenig aus wie ein Querschnitt aus fantastischem und Berliner Realismus der 20er Jahre. Nicht immer entsteht aus all den Zitaten eine eigenständige Formulierung. Manchmal erschlägt der Maler eine schöne Bildidee, indem er sie überfrachtet. Eine Frau im roten Netzkleid balanciert einen angebissenen Negerkuss auf ihren Stöckelschuhen. Das ist nett, wird aber durch die apostelgleich um den Tisch angeordneten Freunde wieder zunichte gemacht.

Die sorgfältige, altmeisterliche Maltechnik und der Habitus des Bohemien unterschied Gröszer schon früh von seinen Malerkollegen in beiden Teilen Deutschlands. Nach der Beendigung seines Studiums 1983 mit dem Meisterschüler war sein Stil schnell unverkennbar. 1988 nahm er an der Biennale von Venedig teil, seine Zusammenarbeit mit westdeutschen Galeristen begann. In Westdeutschland gaben Maler wie A.R. Penck oder Salomé den bewegt expressiven Ton an. Im noch existierenden realen Sozialismus waren Walter Womackas und Willi Sittes Auffassungen vom Bild noch gut vernehmbar. Beide waren Freunde einer ausdrücklich parteilichen, großfigurigen Polit-Malerei. Ein eher feinsinniger, Symbol behafteter Realismus konnte in der zwar gelockerten, aber immer noch ummauerten Atmosphäre des Spätsozialismus anecken.

„Das war keine offene Repression, aber die Kunst war ein Ventil. Wer sich damit befasste, verstand die Zeichen“, erklärt Sehmsdorf. „Es war eher ein sanfter Übergang“, kommentiert Gröszer den Fall der Mauer. Kontakte zu Galeristen hatte er bereits geknüpft, Verkäufe an Privatsammlungen und Museen zeigten dem Maler, dass sein Stil durchaus in der Lage war, den Wechselfällen politischer Ordnungen zu trotzen. So ganz allein steht der Spätmanierist Gröszer trotzdem nicht auf weiter Flur. Maler wie Werner Tübke oder Michael Triegel haben die italienische Renaissance für sich entdeckt. Sie gelangen dabei zu Formulierungen, die Widerspruch nicht zuletzt deshalb provozieren, weil sie ebenso zeitlos sein möchten, wie es Gröszer für sich beansprucht. Auch der Berliner Maler Volker Stelzmann bedient sich einer altmeisterlichen Maltechnik. Ob Gröszer nun wirklich die fein ziselierten Schichtungen der Landschaften Tübkes oder die raffiniert gebauten Arrangements des verstorbenen Großmeisters aus Leipzig erreicht, sei dahin gestellt.

Von Richard Rabensaat