ERWACHEN - J. HEISIG, B. MORAS,
H. FRANZ UND S. KRAISSER
BILD: H. FRANZ - SCHMETTERLING

Frühlings-Erwachen

Potsdamer Neueste Nachrichten 21.04.2011

Mit Bildern und Skulpturen von vier Künstlern eröffnet die Galerie Kunst-Kontor ihr Ausstellungsjahr

In der Bertinistraße setzt sich der Frühling auch in der Galerie Kunst-Kontor mannigfaltig fort. Blumenarrangements und Stillleben in Öl auf Leinwand schmücken farbenfroh die Wände, gemalt von Johannes Heisig und Bettina Moras. Der Maler aus Leipzig hat der Malerin nicht nur an Jahren, sondern vor allem an Bekanntheit so einiges voraus. Sie zusammen zu zeigen empfand Friederike Sehmsdorf als besonderen Reiz. Außer von Bettina Moras zeigt die Galeristin erstmals auch Arbeiten des Malers und Grafikers Herbert Franz und Bronzeskulpturen der Bildhauerin Susanne Kraißer. Bei aller Verschiedenartigkeit im formalen Ausdruck verbindet die vier Positionen inhaltlich das Thema des Erwachens, unter dem die aktuelle Ausstellung steht. In den Arbeiten formuliert werden Wachstum, Erblühen und Verwandlung in der Natur. Das Erwachen ließe sich gedanklich jedoch auch fassen als ein Wachwerden der eigenen Wahrnehmung, eine Schärfung der Sinne, hob Friederike Sehmsdorf in ihrer Eröffnungsansprache hervor.

Aus dem Werk von Herbert Franz wählte sie eine Reihe von Radierungen, die Schmetterlinge, Falter, Bäume und Felsen in Nahsicht zeigen. Mit großer Liebe zum Detail modelliert der in Leipzig und Borsdorf arbeitende Künstler Franz seine Motive in kräftigen Schwarz-Weiß-Kontrasten. In der naturgetreuen, ja minutiösen Wiedergabe des Gegenstandes teilt sich uneingeschränkte Hingabe mit. Im Ergebnis entsteht Kreatürliches, Gewachsenes oder Felsig-Schroffes in einer Manier, die zurückreicht in eine längst entrückte Zeit.

Das Zarte in den Radierungen von Herbert Franz beantwortet die Bildhauerin Susanne Kraißer in ihren Bronzestatuetten. Blumenmädchen, Tänzerinnen und Hockende balancieren in graziler Leichtfüßigkeit auf schmalen hohen Sockeln. Die zierlichen Geschöpfe der Bildhauerin befinden sich mit dem Betrachter auf Augenhöhe. Die Versuchung, die fein modulierten Mädchenkörper nicht nur mit Blicken abzutasten, ist verführerisch. Jungmädchenhafte Anmut und selbstbewusstes Vorführen der körperlichen Reize führt Susanne Kraißer in diesen Figürchen zusammen. Statik und Bewegung gehen dabei eine reizvolle Verbindung ein, Feingliedrigkeit und Volumen, Intimität und Koketterie. Verlässt jedoch die 1977 in Rosenheim geborene Künstlerin den virtuos beherrschten kleinen Maßstab, kommt sie im großen Format zu einem gänzlich anderen Ergebnis. Einige Beispiele der bis zu ein Meter hohen Bronzefiguren – auch sie ausnahmslos weiblich – wirken da in gewisser Weise ernüchternd. Denn hier verlieren sich die Bewegtheit und Lebendigkeit, die den Reiz der zierlichen Artgenossinnen ausmachen, um statuarischen Posen unter unnatürlich makellosen Oberflächen zu weichen.

Unterschiedliche Facetten ein und desselben Urhebers zeigen auch die sechs Ölgemälde von Johannes Heisig. Voll sprühender Vitalität seine leuchtendroten Gladiolen, die sich wie ein Feuerwerk an Farben in schwungvollen Pinselhieben auf der Leinwand entladen. Verschwiegen und verträumt dagegen schaut man in dem Tableau „Morgensonne“ ins verschattete Grüne. Mit großer Frische hat der Maler in den erst kürzlich gemalten „Auberginen“ ein Stillleben in ein schmales Querformat gebracht. Seine beiden Blumenarrangements mit Amaryllis scheinen aus ähnlicher Faszination für Blühendes geboren wie die Blumenbilder der 1975 in Freiberg geborenen Malerin Bettina Moras. Ihre Feldblumen, Krokusse und Hyazinthen folgen einer eher naturalistischen Auffassung. Auch erscheinen sie insgesamt zurückhaltender als die pastos gemalten, expressiven Blumen-Porträts von Johannes Heisig. Inmitten dieser Knospen und Blüten-Malerei fällt das Leinwandbild „La fabrica“ von Bettina Moras ziemlich aus dem Rahmen. Mit ihm öffnet sich, in dieser Ausstellung überraschend, ein Fenster in eine andere Dimension. Die dynamische Komposition in intensiven Farben ist auf den ersten Blick nicht so ohne Weiteres überschaubar. Tritt man jedoch ein paar Schritte von dem Bild zurück, gibt es eine Szene preis. Ein großer blauer Schwan beugt sich über eine auf dem Rücken liegende Frau am Boden. Ihre Gesichtszüge ähneln durchaus denen der Malerin. Das Bild mit dem italienisch anmutenden Titel legt eine feine Spur, ohne zu viel zu verraten. Dass Bettina Moras an der Akademie der Schönen Künste in Rom entscheidende Lehrjahre verbrachte und nach wie vor außer in Berlin auch in Italien lebt und malt, ist an der Stelle ohne Frage eine Randnote wert.

Von Almut Andreae