ERWACHEN - J. HEISIG, B. MORAS,
H. FRANZ UND S. KRAISSER
BILD: J. HEISIG - GLADIOLEN II

Frühlingserwachen: Bilder und Skulpturen im Kunstkontor am Jungfernsee

Märkische Allgemeine 27.04.2011

Als Galeristin Friederike Sehmsdorf den Ausstellungstitel „Erwachen“ wählte, war an die Natur im Frühling gedacht. Inzwischen hat die durchaus nicht frühlingshaft friedliche Natur mit ihren Katastrophen und denen von Menschen gemachten wieder einmal zu einer ganz anderen Art von Erwachen geführt. Aus von der Natur und menschlichem Tätigsein geprägten Bildern dieser Welt ist auf erschreckende Art ein Gewirr abstrakter Formen geworden. Das Konkrete einer Katastrophe drängt sich in die Wahrnehmung des Abstrakten. Das prägt unsere Interpretation künstlerischer Bilder und Bildformen – auch unterschwellig in der Ausstellung „Erwachen“ im Sehmsdorfschen Kunstkontor.

Das stachlig sich ausbreitende, kahl erscheinende Baumgeäst, die dunkel wolkigen Hintergründe in den Radierungen von Herbert Franz lassen sich heute nicht nur als grafisch brillante Arbeiten genießen, die ihre Wurzeln bei Dürer und Rembrandt haben. Das läßt sich sehen als Aufbruch, aber auch als Endzeit. Die Bilder der Katastrophe haben sich eingebrannt und begleiten unsere Blicke auch hier. Herbert Franz, geboren 1953 in Wernigerode, nach unterschiedlichen Berufen als 30-Jähriger zum Studium an die Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig bei Volker Stelzmann und Arno Rink. Seit seinem Diplomabschluss arbeitet er freiberuflich.

In anregender Konkurrenz hängen in zwei Räumen die Malereien von Johannes Heisig und Bettina Moras, kräftig und entschieden im Farbauftrag, in der Intensität der Farben und in den hier ausgestellten Naturmotiven. Heisig hat jedoch noch eine Dimension mehr in den Sinnschichten seiner Bilder und bei seinen unnachahmlichen Farbdifferenzierungen.

Das Ereignis der Ausstellung aber sind Susanne Kraißers pubertierende Wesen, pointiert, aber höchst sensibel erfasste Jugendliche, meist Mädchen. Überall in den Räumen sind diese, Entzücken verbreitenden Kleinplastiken zu finden, in Gruppen auf Podesten, vereinzelt versteckt an der Wand oder auf dem Fensterbrett – knapp vierzig an der Zahl. Dabei wiederholt sich keine Geste. Modellhaltungen sind wie selbstverständlich zum Ausdruck jugendlicher Befindlichkeit geworden. Susanne Kraißer, geboren 1977 in Rosenheim, erhielt ihre Ausbildung als Holzbildhauerin. Spätere Studien, auch als Meisterschülerin an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, führten sie zur Metallskulptur. Ihre Arbeiten im Kunstkontor geben dem Ausstellungsthema „Erwachen“ wieder seinen unbeschwerten Sinn.

Von Arno Neuman


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