DIE MAUER
BILDER VON JENS LORENZEN
BILD: DIE MAUER III - STERN

Die Mauer lebt - Jens Lorenzen in der "KUNSTKONTOR" GALERIE am Jungfernsee

Märkische Allgemeine Allgemeine 13.05.2011

Die Geschichte der „Mauer“ beginnt irgendwann 2007 im tiefen West-Berliner Kiez. Jens Lorenzen, seit 1991 Wahlberliner mit einem Atelier in Kreuzberg nahe dem Kottbusser Tor, experimentiert schon seit Jahren mit Marken als den Ikonen der Moderne. Seine Bilder, kräftig gespachtelt mit immer wieder gebrochenem Farbauftrag auf grauem Grund, haben einen hohen Wiedererkennungswert.

Sie wirken wie alte, in unsere Zeit hinübergerettete Wandmalerei, die lädiert ist von Nässe und Schwamm, von bröseligem Putz oder auch überdeckt von darüber geklebten Schichten mit neuen bunten Motiven auf Papier. Botschaften der Gegenwart im angegriffenen Gewand einer alten Zeit. Als „Etruskermalerei“ umschreibt „Kunstkontor“-Galeristin Friederike Sehmsdorf, die ihn jetzt in Potsdam vorstellt, diese früheren Arbeiten des Künstlers.

Dann gab es die Idee: Jens Lorenzen wollte, wie er sagt, „ein Bild malen zur Teilung Deutschlands“. Der Sinn des Künstlers für Marken bestimmte die Eröffnung mit der Feststellung, dass es Begriffe gibt, die bei Ostdeutschen ganz andere Assoziationen aktivierten als bei Westdeutschen. Bei „Rotkäppchen“ zum Beispiel dachte man im Westen lange Zeit zuerst an einen Camembert, während man im Osten eine Sektkellerei damit verband.

Zunächst dachte Lorenzen an ein Bild, auf dem er Beispiele für diese in Ost und West so unterschiedlich besetzten Codes ausloten wollte. Doch rasch entwickelten die Motive, Begriffe, Parolen und Assoziationsketten ein verblüffendes Eigenleben. Der Raum zwischen Käse und Sekt füllte sich mit Zeitungstiteln über Gorbatschow und Kohl, einer Überschrift „Kanzler schafft Vertrauen“ folgte, als wäre es ein Kommentar dazu, eine „Persil“-Werbung, zu der bei einem breiten Publikum ein „Da weiß man, was man hat“ anklingt. Zum ersten Bild gesellte sich ein zweites und bald auch ein drittes. Die Themen, Motive und Farbfelder griffen als Zitat, als Echo und Fluss auf die Nachbarbilder über, die in Serie unversehens zu Segmenten einer Farbmauer wurden.

Vier dieser „Mauern“ in unterschiedlichen Formaten mit jeweils 20 bis 25 Bildern hat Lorenzen bis heute gemalt. Die Arbeiten sind durchnummeriert, das Minus oder Plus vor der Ziffer bestimmt jeweils die Position zum Ursprungsbild. Für Bewegung sorgt nicht zuletzt der Kunsthandel, der Lücken in die Mauer reißt, die sich mit der Neuformierung der Arbeiten rasch wieder schließen.

Dass jedes Bild auch gut für sich alleine steht, wird jetzt im „Kunstkontor“ demonstriert. Neben Arbeiten aus einer Zeitungsmotivserie „Mauer III“ und Bildern der Engel-Serie „Mauer II“ wird im großen Medaillonformat auch die Neufassung einer Arbeit gezeigt, die dem Künstler zu einer Audienz bei Papst Benedikt XVI. verhelfen sollte. „Wir sind Papst!“, titelte die „Bild“-Zeitung nach der Papst-Wahl Joseph Ratzingers im April 2005. Jens Lorenzen hat auch diese Schlagzeile zu Kunst gemacht.

Geboren 1961 in Schleswig, studierte er nach einem Auslandsaufenthalt in Cleveland Ohio, USA, nach dem Abitur und der Ausbildung zum Tischlergesellen ab 1985 an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig bei Hermann Albert Malerei. Seit 1991 ist freischaffend tätig.

Von Volker Oelschläger

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